Veränderung in der Beziehung

Wir werden beide älter. Mal hast du keine Lust auf S*x, mal ich nicht, alles klar. Du möchtest dich anders ernähren. Ich will eine neue Sportart ausprobieren. Die Kinder werden groß und verlassen uns. Meine Hüfte muss operiert werden. Du interessierst dich für Romane, obwohl du 35 Jahre nie gelesen hast. Ich möchte mal in den Sw*ngerclub gehen (mit dir), auch wenn ich mir das nie vorstellen konnte. Du fängst an, dich zurückzuziehen, obwohl du immer im Mittelpunkt stehen wolltest. Ich höre auf zu rauchen. Du trägst deine Haare nun lang. Ich möchte Gesangsunterricht nehmen.
Am Anfang der Beziehung sind Menschen weitaus offener für die Möglichkeit von Veränderung. Das Verlieben an sich ist für viele schon eine große Veränderung, ein Schock manchmal. Wir sind so neugierig und offen, wie der Mensch uns gegenüber so tickt. Wir wollen alles übereinander erfahren.
Und dann, nach einiger Zeit, macht uns die Veränderung an uns selbst und am anderen zu schaffen. Besonders, wenn wir uns gerade nach Sicherheit und Stabilität sehnen. Diese Sehnsucht ist auch zutiefst verständlich und nachvollziehbar. Manchmal stecken wir in so belastenden Lebensphasen, dass Veränderung das Letzte ist, was wir brauchen.
Um in die Akzeptanz zu kommen, hilft oft, die Dinge nicht zu trennen, sondern in ein wohltuendes „sowohl-als-auch“ zu bringen:
Sowohl ist mir bewusst, dass sich immer alles ändert, als auch sehne ich mich momentan nach Stabilität und Ruhe.
Sowohl darfst du dich ändern, als auch darf ich verunsichert über deine Entwicklung sein.
Sowohl finde ich es toll, wenn ich mich weiterentwickle, als auch gestehe ich dir deinen Raum zu, wenn du dich momentan nicht weiter entwickeln kannst oder willst.
Sowohl wünsche ich mir in dem einen Bereich unserer Beziehung Stabilität, als auch wünsche ich mir in einem bestimmten Thema Änderung.
(…)
All diese Wünsche und Gedanken sind legitim. Es zerreißt uns oft innerlich, wenn wir denken, wir müssten uns zwischen zwei Richtungen entscheiden. Da kann es Ruhe bringen, wenn wir akzeptieren, dass Prozesse sich unterschiedlich parallel entwickeln können.

Das war der wundervollste Moment in deinem Leben. Ihr habt euch angesehen, geküsst und seid miteinander verschmolzen. Verliebt, verlobt, verheiratet, “der schönste Tag des Lebens”, eine rauschende Party mit allen Lieblingsmenschen.

Traumhaft, der Himmel auf Erden. Natürlich wisst ihr irgendwie: So wird es nicht weitergehen. Aber wenn dann das passiert, was unaufhaltsam sowieso passiert, nämlich Veränderung, trifft uns das oft wie ein Schlag und wir beginnen zu trauern oder zu rebellieren.

Veränderung kommt manchmal in großen Phasen oder mit einem Paukenschlag:

  • ein Kind wird geboren
  • jemand erhält eine lebensverändernde Diagnose
  • ein Angehöriger oder Freund stirbt
  • jemand erhält eine Kündigung
  • ein Freund oder Verwandter zieht weg
  • jemand muss in einer anderen Stadt arbeiten
  • ein Kind zieht aus
  • jemand bricht den Kontakt ab
  • plötzlicher finanzieller Verlust

…….

Was nebenbei jeden Tag passiert und was wir oft lange nicht bemerken:

Wir ändern uns die ganze Zeit, subtil, in winzigen Nuancen, körperlich, emotional, mental, wir lernen, wachsen, reifen.

Wir erfahren jeden Tag etwas Neues, haben vielleicht Gedanken, die wir so noch nie hatten, hören jemanden etwas erzählen, lesen etwas, kriegen neuen Input und sind heute nicht mehr exakt der Mensch, der wir gestern noch waren.

Das ist der Lauf der Dinge. Alles, alles verändert sich konstant, unaufhaltsam und sogar ohne unser Zutun.

Schmerzhaft wird es dann, wenn wir diese Veränderungen ablehnen.

Verständlich: Wir erleben etwas schönes und wünschen uns, dass es für immer so bleibt. Veränderung kann außerdem beängstigend und verunsichernd sein.

Oft wünschen wir uns auch von unseren Bezugspersonen, dass sie so bleiben, wie wir es gewohnt sind: Wegen dieser Eigenschaften habe ich mich in dich verliebt! Mit diesem Körper hast du mich angezogen! Damals, als du gesund warst, waren wir zusammen so aktiv! Als du diesen Status innehattest, fand ich dich so toll!

Es ist vollkommen in Ordnung, dass es uns berührt, durcheinander bringt, verunsichert, schüttelt, wenn wir miterleben, wie ein geliebter Mensch älter wird, gebrechlicher wird, krank wird, Dinge verarbeitet, seinen Status verliert, sich mehr um sich kümmern muss,….. natürlich macht das was mit uns.

Wir sind nicht vorbereitet auf das, was uns das Leben manchmal vor die Füße wirft, das ist nachvollziehbar.

Manchmal sind unsere Gedanken auch egozentrisch:

ICH will und muss mich neu erfinden, entwickeln, vorankommen, ist ja wohl legitim!

Aber DU sollst das bitte NICHT, ich will, dass du so bleibst wie damals, als ich mich in dich verliebt habe, denn das gibt mir Sicherheit und etwas, worauf ich mich verlassen kann, und ich habe gar keine Lust, mich mit neuen Facetten an dir auseinander zu setzen, möglicherweise zuzusehen, dass du selbstständiger wirst (wenn z.B. die Partner in ihrer Beziehung symbiotisch verschmolzen sind).

Veränderungen können verunsichern. Und dieser Verunsicherung kann zu Konflikten führen, vor allem, wenn die Partner dazu neigen, die Veränderungen des Partners auf sich zu beziehen.

Was hilft, ist, die große und unumstößliche Wahrheit wirklich ganz in sich aufzunehmen, dass wir Veränderungen sowieso nicht aufhalten können. Das ist leichter gesagt als getan! Wer verabschiedet sich schon gerne von Jugendlichkeit und Attraktivität, Gesundheit, der Libido, von gewohnten Abläufen?

Was hilft:

Gelassenheit.

Humor.

Akzeptanz. Das alles anders bleibt, ständig sind wir und ist die Welt um uns im Wandel.

HINGABE.

Neugier, auf eine neue Dynamik, die entstehen kann, neue Chancen, die sich daraus ergeben.

Offenheit.