Sich in einer Beziehung verlieren

Am Anfang wirkt alles wie das perfekte Match: Ich und du, wir beide, in unserer Bubble. Ein Blick in deine wunderschönen Augen sagt mir zweifelsfrei: Du bist perfekt, wir passen perfekt zusammen, wir sind einfach ein Traumpaar.

Nach und nach merkt einer von uns, dass es Themen gibt, die Konfliktpotenzial haben. Und dann passiert es: Einer von uns, vielleicht ich, mag keine Konflikte. Harmonie und Liebhaben ist das Beste auf der Welt, oder?

Deswegen beginne ich, die schwierigen Themen zu umschiffen. Ich werde zum geschickten Kapitän auf einem sehr unruhigen Meer, aber ich bin ja nicht doof und lerne zunehmend, was unser Harmonie-Schiffchen ins Wanken bringen könnte. Um diese Klippen steuere ich gekonnt herum, ich verschweige, dass ich da vorne an der Landzunge lieber links statt rechts abgebogen wäre, ich rede auch nicht darüber, dass wir unser Schiff mal reparieren lassen sollten und dass wir dringend neuen Proviant bräuchten.

Ich finde die Fahrt anstrengend, aber ich liebe die Harmonie zwischen uns und bin stolz darauf, dass wir uns so wenig streiten. Ich bin auch stolz darauf, dass ich so großzügig und nachgiebig bin und dass ich dir immer gebe, was du brauchst.

Was mir erst nach Jahren (oder vielleicht erst nach der Trennung) auffällt:

Ich bin in unserer Beziehung verschwunden.

Ich bin unsichtbar geworden, ich bin von einem Menschen, der mal eine eigene Meinung hatte, zum people-pleaser für dich geworden.

Unsere Harmonie, und mehr noch, deine Zuneigung und die Angst davor, dass du mich und meine eigene, möglicherweise abweichende Meinung ablehnen könntest, sind so wichtig für mich geworden, dass ich dieser Angst gefolgt bin und mich als eigenständige Person mit eigener Meinung, eigenen Wünschen, eigenen Träumen und eigenen Bedürfnissen aufgelöst habe.

Wenn ich das nicht erkenne und diese Themen nicht angehe, sind zwei Szenarien wahrscheinlich:

Du trennst dich, weil du das Interesse an mir verlierst, du weißt gar nicht (mehr), wer ich bin.

Ich trenne mich, weil ich dich als dominant und einschränkend empfinde und mir nicht länger von dir sagen lasse, was Sache ist.

WICHTIG:

Es ist nicht in jeder Konstellation möglich, dass beide Partner sich entfalten und ihre Eigenständigkeit bewahren können!

In Beziehungen, in denen physische oder psychische Gewalt ausgeübt oder ein*e Partner*in sonstwie massiv und aktiv unter Druck gesetzt wird oder ein* Partner*in Narzisst*in ist, ist meist nur die Trennung ein gesunder Schritt für beide. Auch in Beziehungen, in denen Abhängigkeiten voneinander bestehen und diese Abhängigkeiten von einer Seite ausgenutzt werden, können sich nicht beide frei entfalten. Solche Beziehungen sind entweder toxisch oder haben starke toxische Anteile.

Ich spreche hier über Beziehungen, die frei von diesen Aspekten sind.

In gesunden Beziehungen passiert es immer wieder, dass sich ein*e Partner*in verliert und dies möglicherweise erst nach Jahren feststellt.

Meist liegt die Ursache im Sebstwertgefühl und den Ängsten der Person begründet.

Es gehört immer wieder Mut dazu, zu seiner eigenen Meinung zu stehen, vielleicht sogar richtig ausdauernd, und wir können uns nicht in allen Aspekten anpassen, ohne uns zu verlieren. Manchmal gilt in einer Beziehung: “Wir einigen uns darauf, uns nicht einig zu werden.” Das muss noch nicht das Ende der Beziehung bedeuten, wenn beide reif genug sind. Denn wer schon eine Zeitlang Mensch ist, hat gesehen: Wir Menschen sind alle ziemlich einzigartig. Und das macht auch den Reiz aus! Es kann inspirierend sein, vom anderen zu lernen, andere Sichtweisen zu verstehen, andere Arten zu Denken zu erleben.

Viele Menschen verschweigen ihre Meinung, Bedürfnisse, Wünsche aber auch aus Angst, den*die andere*n zu verlieren, besonders auch im sexuellen Bereich.

Oder aus Angst, dass ihre Wünsche nicht erfüllt werden: Dieser Enttäuschung lieber aus dem Weg gehen! “Lieber behalte ich meine Wünsche für mich, dann weiß ich wenigstens sicher, dass sie nicht erfüllt werden.”

Die abweichende Meinung eines nahestehenden Menschen auszuhalten, erfordert Stärke. Die eigene Meinung zu vertreten, erfordert Mut. Wie viele Familiensysteme und Paare tanzen jahrelang einen Eiertanz, aus Angst, den anderen verletzen oder triggern zu können.

Die Lösung liegt in der Erkenntnis:

AUCH IN EINER BEZIEHUNG SIND UND BLEIBEN WIR EIGENSTÄNDIGE UND FREIE WESEN.

Mich daran erinnern, dass ich ein Recht auf meine eigene Meinung habe.

Mich daran erinnern, dass du ein Recht auf deine eigene Meinung hast.

Mich daran erinnern, dass meine Wünsche, Bedürfnisse und Träume legitim sind und ich sie haben darf und gleichzeitig, dass die Möglichkeit besteht, dass nicht alles davon erfüllt werden wird.

Mich daran erinnern, dass du eigene Wünsche, Bedürfnisse und Träume hast, die legitim sind und dass ich nicht alle davon erfüllen muss.

Mich daran erinnern, dass es meine Aufgabe ist, mich um mein Wohlbefinden zu kümmern, und dass es deine Aufgabe ist, dich um dein Wohlbefinden zu kümmern.

Es ist wichtig, herauszufinden, ob du generell die

Bedürfnisse von anderen Menschen über deine eigenen stellst.

Meist passiert das in der Hoffnung, im Austausch Zuneigung zu bekommen oder um Konflikten zu entgehen. Oft liegen auch Angst vor Zurückweisung, Schuld- und Schamgefühle (“Ich bin nicht richtig, wie ich bin” – “Ich habe Angst, etwas falsch zu machen”) zugrunde.

Genauso ist es wichtig, dass du lernst, die Meinung von anderen zu akzeptieren und nicht als persönlichen Angriff zu werten, wenn sie von deiner Meinung abweicht. Besonders auch im sexuellen Kontext: Dein*e Partner*in hat eine bisher unbekannte Fantasie mit dir geteilt? Du kannst das erstmal sacken lassen und darfst in Ruhe darüber nachdenken, ob und unter welchen Bedingungen du dir vorstellen kannst, etwas Neues auszuprobieren.

In allen Beziehungen treffen Individuen mit eigener Biografie und einzigartigen Wesenszügen aufeinander.

Wir sollten lernen, unsere Einzigartigkeit zu feiern, denn gleichzeitig bringt dies Fülle und Vielfalt und unendliche Farben in die Welt!

LASST UNS WACHSEN: BESONDERS IM ZUSAMMENSEIN MIT GANZ GANZ NAHEN MENSCHEN DINGE NICHT PERSÖNLICH ZU NEHMEN.

Ich weiß, heftige Challenge. Aber es lohnt sich: Am Ende ärgern wir uns alle weniger übereinander und können echte Harmonie erleben und zeigen uns alle authentisch, statt der Angst zu folgen und unsere Facetten zu verstecken.

Ich freue mich über deine Meinung zu diesem Thema!

Herzlichst, Nora

Wer bin ich?

Wer bist du? Diese Frage wurde mir vor einigen Jahren gestellt. Ein Leben in wenige Worte zu fassen ist schwer, deswegen haben auch meine Zeilen hier keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit….

Ich bin Naturkind, Waldmädchen. Aufgewachsen mitten im Wald, abends der leise Wind in den Tannenwipfeln im Sommer, die lautlos fallenden Schneeflocken vor dem schwarzen Himmel im Winter, die Stürme dazwischen. Die taubenetzten Grashalme unter den nackten Füßen, das Zirpen der Grillen, das Heulen des Käuzchens. Meine Kindheit hat meine Verbindung, meine Liebe, meine Bewunderung zur Natur geprägt. Die Stille hat mich zur Zuhörerin gemacht. Das Umherstreifen im Wald hat mich zur genauen Beobachterin werden lassen. Das Leben im Wechsel der Jahreszeiten und inmitten der Launen der Natur hat mich Demut gelehrt und der Gewissheit nähergebracht, dass die Natur immer für uns da ist.

Ich bin Tochter. Aufgewachsen in einer heilen Welt, einer intakten Familie. Tochter zweier Kriminalpolizisten, geprägt durch verschlüsselte Andeutungen meiner Eltern untereinander, die mir das Gefühl gaben, dass es Schatten, Böses und Traumatisches im Paradies gibt.

Ich bin Enkelin. Enkelin des Krieges. Mein Opa hat sein Bein verloren, das war für uns immer sichtbar. Meine Oma hat viel verloren, das war unsichtbar. Wie viele meiner Generation konnte ich nicht wirklich erfahren, was meine Großeltern erlebt haben – ich habe nur Andeutungen, nebulöse Vorstellungen, unklares erfahren. Der Krieg war in meinen Großeltern und ihrem Leben immer präsent.

Ich bin Mutter. Nach der Kindheit im Wald und dem heiß ersehnten Umzug in die Kleinstadt – für mich hinein ins pralle Leben – als gerade Volljährige mein Kind bekommen. Diese lebensverändernde Erfahrung hat mich und mein Leben bewegt. Ich habe verstanden, dass es mehr gibt als mein eigenes Leben, dass es vieles gibt, dass ich weitergeben möchte, und einiges, das ich abstreifen und auf keinen Fall weitergeben will.

Ich bin Frau. Feministin, Gerechtigkeitsvertreterin. Frauenthemen faszinieren und bewegen mich. Männerthemen auch. Menschenthemen! Woher kommen wir, wohin gehen wir? Wer sind wir? Warum sind wir manchmal scheinbar unterschiedlich und vielleicht doch gleich? Warum bekämpfen wir uns und wie gelingt Frieden? Wie können wir mit unserer Erde, unserer Heimat, diesem einzigartigen wunderschönen Planeten, liebevoll umgehen? Wie schaffen wir es, liebevoll mit uns selbst umzugehen? Was bleibt von uns, wenn wir eines Tages nicht mehr da sind?

Ich bin Freundin. Verbindung ist für mich essenziell. Verbindlichkeit, Loyalität. Herzenswärme. Empathie. Berührung. Lachen. Mitteilen. Teilen. Da sein. Füreinander. Ich mag Menschen, die das Wesentliche vom Unwesentlichen unterscheiden können. Die sich trauen. Die sich mitteilen. Die warm sind und Wärme zu geben haben. Die über sich lachen können. Die echt sind. Meine Werte teilen, sich entwickeln wollen. Kritisch sind, hinterfragen. Eine eigene Meinung haben. Stark und zerbrechlich. Weites Herz & Mut & Lachen. Ich bin eine Liebende.

Ich bin Suchende. Immer auf der Suche nach dem tieferen Sinn, neugierig, erstaunt, wenn ich wieder ein Puzzlestück entdecke. Ich lerne dauernd, ich lese viel. Ich mache mir Gedanken, ich spreche mit Menschen, ich stelle Fragen. Ich lasse mich inspirieren. Ich lerne nie aus. Und deswegen faszinieren mich auch so viele Themen gleichermaßen, dass ich mich nicht auf ein Thema festlegen will. Meine Leidenschaft, mein Interesse gilt dem Körper und der Natur, Beziehungen aller Art, Konflikten und Traumata, insbesondere der Beziehung von Paaren und der Sexualität in all ihren Facetten. Darüber hinaus alles, was irgendwie mit dem Menschsein zusammenhängt.

Ich bin Ich. Ich liebe es zu tanzen. Ich liebe Schokolade. Ich liebe schlaue Menschen und gute Gedanken. Ich liebe die Natur, die Berge & die Seen. Ich liebe Blumen, Bäume und Tiere. Ich liebe es in der Sonne zu liegen und im Sturm fest zu stehen. Ich liebe es zu spielen und zu lachen. Ich liebe gutes/veganes Essen. Ich liebe es, mich in der Gesellschaft von liebevollen Menschen aufgehoben und gehalten zu fühlen.

Nora – April 2024